Der Stadtrat wehrt sich gegen seine dauerhafte Überrumpelung durch die Verwaltung – es trifft dabei ausgerechnet die Winzer.
Das Thema „Sanierung von Weinbergsmauern“ sollte naturgemäß nicht für Aufregung sorgen. Beim letzten Stadtrat am 27. Februar aber war das anders. Denn die Räte wurden durch die Beschlussvorlage der Stadtverwaltung dazu aufgefordert, einer außerplanmäßigen Ausgabe zuzustimmen, um Fördergelder für die Mauern zu erhalten. Außerplanmäßig heißt: außerhalb des geltenden Haushaltsplanes der Stadt. „Wir haben im Januar den Nachtragshaushalt für 2019 eingebracht und einen Monat später kommen wir schon wieder mit einer außerplanmäßigen Ausgabe und natürlich greifen wir wieder auf die Rücklagen zurück. So kann das nicht weiter gehen.“ Das erklärte Wolfgang Tücks, der Vorsitzende der Fraktion U.L.M./FDP. Er forderte Haushaltsdisziplin ein, zumal der Antrag auf Fördermittel für die Weinbergsmauern schon im vergangenen November beim Land gestellt worden sei.
Anhand der Weinbergsmauern lassen sich Abläufe in Verwaltung und Stadtrat darstellen, die man als das System Raschke bezeichnen kann. Denn Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos) prägt seit 14 Jahren die Arbeit der Stadtverwaltung maßgeblich und auch die des Kommunalparlamentes, was den Stadträten nicht das beste Zeugnis ausstellt. Haben sie dieses System doch im Wesentlichen bis heute mitgetragen, auch wenn sie – wie am 27. Februar geschehen – ab und an dagegen aufbegehren.
Wie das System funktioniert, erklärte der Chef der CDU-Fraktion Falk Werner Orgus: „Es wird, wie so oft, Entscheidungsdruck aufgebaut. Nicht aus der Not heraus, sondern, weil es der Verwaltung so passt. Wir müssen jetzt mal ein Exempel statuieren, dass das so nicht geht, mit dem Stadtrat umzugehen und die Liquiditätsreserve langsam auszuräumen.“
Stadtrat Matthias Rost von der SPD wurde grundsätzlich, indem er auf die Sächsische Gemeindeordnung verwies und erklärte, dass überplanmäßige und außerplanmäßige Aufwendungen oder Auszahlungen nur zulässig sind, wenn ein dringendes Bedürfnis besteht. Die Stadtverwaltung habe dieses Bedürfnis mit dem Beschlussvorschlag nicht nachgewiesen. Rost: „Wie kommt die Verwaltung dazu, ohne Haushaltsansatz einen Fördermittelantrag zu stellen und dann den Stadtrat vors Loch zu schieben, damit der eine außerplanmäßige Ausgabe genehmigt?“
Zum System gehört es also, unvollständige, teils nicht rechtskonforme Beschlussvorlagen vorzulegen, die den Stadträten keine saubere Entscheidung erlauben und von diesen eigentlich abgelehnt werden müssten.
Zum System gehört es auch, „dass Beschlussvorlagen nicht fristgerecht sieben Tage vor der jeweiligen Stadtratssitzung zugestellt werden, damit man sich ordentlich darauf vorbereiten kann“, erklärt Heiko Schulze von den Grünen. Auch was Anfragen an die Verwaltung betrifft, „muss man als Stadtrat manchmal mehrfach nachfragen, regelrecht um Antwort betteln“. Außerdem ist es „Gang und gebe, dass Bürger von der Verwaltung Fragen nicht beantwortet bekommen“. Zwar ist auf einer Klausur des Stadtrates vor drei Jahren vereinbart worden, dass zu Beginn einer jeden Stadtratssitzung darüber informiert wird, was Bürgern auf ihre Fragen geantwortet worden ist, „aber das wird immer mal wieder vergessen“.
Hinzu kommt der Umgang von Oberbürgermeister Raschke mit Stadträten in den Sitzungen. Da wird er teilweise persönlich angesprochen, erwidert nichts, sondern geht einfach weiter in der Tagesordnung.
Aber es geht bei alledem nicht zuerst um Fragen des Stils und der Form, sondern um Inhalte: Das System Raschke verkörpert keine moderne, effiziente Form der Verwaltung einer Kommune von der Größe und Bedeutung Meißens, sondern ist antiquiert und nicht dazu geeignet, das Vertrauen der Bürger in Demokratie und kommunale Selbstverwaltung zu stärken.
Was die Beschlussvorlage, die Weinbergsmauern betreffend angeht, so wurde sie mit zehn zu neun Stimmen von den Stadträten abgelehnt und an den Verwaltungsausschuss zurückverwiesen. Ob damit eine mögliche Gesamtförderung von 190 000 Euro verloren geht, weil eventuell Antragsfristen überschritten werden, wusste Bürgermeister Markus Renner in der Stadtratssitzung am 27. Februar nicht zu sagen.
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