Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, sehr geehrte Kolleg*innen Stadträte, liebe Bürger*innen,
das zweite Mal in diesem Jahr diskutieren wir hier im Stadtrat einen Haushaltsplan – diesmal glücklicherweise bevor das Haushaltsjahr bereits begonnen hat. Positiv möchte ich hervorheben, dass die Beteiligung der Stadträtinnen und -räte diesmal um Längen besser war, als das letzte Mal – und das trotz der personellen Probleme in der Stadtverwaltung. Unser Dank gilt also den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Finanzverwaltungsamt sowie den Fachämtern der Stadt Meißen.
Was beide Haushaltsdebatten eint, ist, dass es sich hier um Corona-Haushalte handelt. Auch bei dem Haushalt für das Jahr 2021 muss man feststellen, dass Berechnungen für Einnahmen und Ausgaben auf Basis zum Teil riskanter Schätzungen der finanziellen Entwicklung erfolgen. Wir können auch jetzt die Pandemiefolgen noch nicht wirklich abschätzen. Das konnte und kann auch scheinbar der Freistaat Sachsen nicht, denn schließlich verzögert sich auch dort die Beschlussfassung des nächsten Doppelhaushalts, des Finanzausgleichsgesetzes und des Haushaltbegleitgesetzes um ziemlich genau 5 Monate. Das bedeutet, dass wir in Sachsen von Januar bis Ende Mai 2021 keinen beschlossenen Haushalt haben, in die vorläufige Haushaltsführung rutschen und damit rechnen müssen, dass vieles, was auch Leistungen an die kommunale Ebene betrifft noch unklar ist und im Wesentlichen vor allem für Förderprogramme nur Abschläge gezahlt werden. Selbst wenn das FAG vor dem Haushalt beschlossen werden sollte, ändert das nichts an der langen Zeit der Unsicherheit.
Was die Unwägbarkeiten des Meißner Haushalts betrifft, so legen wir hier leider noch eine Schippe drauf. Dieser Haushalt wurde erstellt, noch bevor der Entwurf des Sächsischen Finanzausgleichsgesetzes ins Anhörungsverfahren und den Sächsischen Landtag eingebracht wurde. Natürlich sind wir froh, diesmal rechtzeitig einen Entwurf präsentiert bekommen zu haben. Wir fragen uns aber, ob es nicht doch die Möglichkeit gegeben hätte, die nun neue Faktenlage irgendwie zu berücksichtigen. Mit einem Verweis auf die Reaktion im Rahmen des Haushaltsvollzugs ist es unserer Auffassung nach nicht getan.
Nun zu einigen Punkten, die uns sehr wichtig sind.
Der Haushalt einer Kommune – auch der Entwurf ist in unseren Augen eine öffentliche Sache – so zumindest unser demokratisches Verständnis. Wir haben aktuell besondere Zeiten. Das Rathaus ist geschlossen und nur mit Termin kann man seine Wege erledigen. Das gilt auch für die Auslegung des Haushaltsentwurfs. Mal ganz davon abgesehen, dass wir im Jahr 2020 eine öffentliche Auslegung in Papierform nicht für das Mittel der Wahl halten, so ist dies doch erst recht in Zeiten einer Pandemie zynisch. Wir verstehen also nicht, warum nicht bereits der Entwurf an präsenter Stelle auf der Homepage unserer Stadt veröffentlicht wird. Beispielhaft sei hier das Beteiligungsportal des Freistaates erwähnt.
Es erschließt sich uns ebenso nicht, wie die Stadt Meißen, davon ausgehen kann, dass die Steuereinnahmen im Jahr 2021 steigen werden. Der Haushaltsentwurf liest sich gerade so, als sei Meißen die Insel der Glückseligen, während so gut wie alle Kommunen um uns herum mit drastischen Einbrüchen rechnen. Auch die Antwort, der Verwaltung, dass dies im Wesentlichen mit Stundungen des Haushaltsjahres 2020 zu begründen ist und wir in der Stadt Unternehmen haben, welche mit höheren Umsätzen rechnen, überzeugen uns nicht. Egal, wie sehr man es sich wünscht oder wie sehr man Corona klein reden und ignorieren möchte – Corona ist eine weltweite Pandemie und nicht wenige Wissenschaftler*innen haben gemutmaßt, dass die zweite Welle mitnichten schwächer wird, als die erste. Sie haben leider Recht behalten. Aktuell reden wir nicht davon, dass Maßnahmen gelockert werden können – nein im Gegenteil – aus dem kleinen Lockdown November/Dezember muss nun ein großer werden. Wer also glaubte, die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in unserem Land würden sich nur auf das Jahr 2020 beschränken, den kann man vorsichtig formuliert leider nur als naiv bezeichnen.
Bereits seit langem fordert meine Fraktion ein Umdenken in der Wohnungs- und Siedlungspolitik unserer Stadt. Bauen auf der grünen Wiese kommt für uns nicht in Frage. Stattdessen sehen wir die Zukunft in gemeinschaftlichen Wohnformen, wie dem Mehrgenerationenwohnen – etwas das sich beispielsweise in Krisenzeiten bewährt hat. Mit dem Objekt auf der Höroldtstraße im Triebischtal, sind wir in Besitz einer Liegenschaft, die sich in unseren Augen bestens dafür eignen würde – in einem Stadtteil, der so schön wie er ist, einer weiteren Aufwertung bedarf. Seinerzeit wurde die Immobilie mit der nebulösen Formulierung erworben, dass man dort städtebauliches Entwicklungspotenzial sichern wolle. Was das heißen sollte, zeigte sich dann schnell im Zuge der Diskussion um einen möglichen Ersatzneubau für die Questenberggrundschule. Als dies vom Tisch war wurde bei jeder sich bietenden Gelegenheit durch den Oberbürgermeister sein Traum kommuniziert, in der Höroldtstraße soziale Einrichtungen wie Tafel und soziales Möbellager sowie einen Stützpunkt der freiwilligen Feuerwehr zu konzentrieren. Nicht nur bei uns sondern bei vielen anderen auch sorgen diese Pläne für Kopfschütteln. Leider finden wir in der aktuellen Planung keine Gelder, die eine Weiterentwicklung dieses Areals ermöglichen. Es wurde uns dargelegt, dass dies für die kommenden Jahre avisiert ist – wir sollten aber keine Zeit verlieren.
Zu guter Letzt möchte ich noch den Punkt der Finanzierung der Kindertagesbetreuung ansprechen. Das im Stadtrat beschlossene Moratorium der Betreuungsgebühren findet sich natürlich auch in diesem Haushalt und das ist auch gut so. An dieser Stelle möchte ich nicht die Debatte aus dem Stadtrat wiederholen. Für uns LINKE will ich aber nochmal klarstellen, dass das Soziale für uns eindeutig Vorrang hat. Die Höhe der Kitagebühren ist nicht nur eine Haushaltsstelle sondern für uns ein Standortvorteil. Und diesen Standortvorteil sollten wir, sollte der Oberbürgermeister nutzen und in die Öffentlichkeit tragen. Stattdessen wurde der Punkt, dass wir als eine der wenigen Kommunen in Sachsen die avisierte Erhöhung nicht umgesetzt haben, negativ stigmatisiert. Die öffentliche Debatte drehte sich im Wesentlichen um ein fiktives Haushaltsloch, das angeblich durch unseren Beschluss gerissen wurde. Leider wurde da in vielen Punkten nicht mit offenen Karten und eher unehrlich gespielt. Wie in einer unserer letzten Sitzungen durch das Familienamt eindrucksvoll dargelegt sind wir mit unseren nicht erhöhten Kitagebühren mitnichten die preiswerteste Kommune im Landkreis. Ganz im Gegenteil wir liegen trotzdem noch im oberen Feld der teuersten und weit über dem Kreisschnitt. Ich appelliere daher an uns alle im Stadtrat aber auch an Sie Herr Oberbürgermeister im Zusammenhang mit Diskussionen um sozial eingesetzte Gelder nicht von Geschenken oder ähnlichem zu sprechen. Wenn wir Gebühren nicht erhöhen, dann ist das kein Geschenk sondern wir sprechen davon, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern nicht ganz so tief in die Tasche greifen. Natürlich möchte ich an der Stelle nicht den Fakt unterschlagen, dass hier trotzdem eine Unwucht zwischen dem Land und den Kommunen besteht. Es wird sich zeigen, inwieweit die Übertragung des Schülernebenansatzes im FAG auf die frühkindliche Bildung sich positiv auf unsere Finanzen auswirken wird. Leider können wir das aus dem Haushaltsentwurf nicht herauslesen. Unser Traum von der kostenfreien Kita als Bildungsort und nicht nur Kinderaufbewahrung kann nicht in Meißen realisiert werden, dazu braucht es ein Umdenken auf Landesebene auf der wir uns entsprechend dafür einsetzen!
Es gäbe noch viele Punkte, die wir an dieser Stelle anspreche müssten, das würde aber zu weit führen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Was soll man nun zu einem Haushalt sagen, der mit Beschlussfassung quasi schon wieder Makulatur ist. Viele Punkte, die von den Fraktionen eingebracht wurden, fanden Niederschlag im Entwurf. Unsere Personalkosten sind nach wie vor zu hoch, ohne dass sich das Gefühl einstellt, das unsere Verwaltung überbesetzt ist – zumindest was den Dienst am Bürger betrifft. Hier sehen wir noch großes Optimierungspotenzial. Ich hoffe das hier im Rahmen unseres Workshopverfahrens zur Organisation der Stadt Meißen etwas Licht ins Dunkel gebracht werden kann und wir gemeinsam mit den Expert*innen Wege finden, unser Personal effizient und trotzdem bürger*innenah einzusetzen.
Trotzdem werden wir dem Haushalt zustimmen und sind gleichzeitig gespannt, wie sich die nächsten Monate dann in der Realität entwickeln werden.
Tillo Hellmann
Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE (9. Dezember 2020)