Nebenbei bemerkt…

Portrait von Helge Landmann

…Kommentare, Ideen oder Meinungen unserer Mitglieder, Stadträtin und Stadträte sowie Vorstandsmitglieder.

Hier der offene Brief unseres Stadtrates Dr. Helge Landmann zum geplanten Bauvorhaben eines Gästezentrums in Proschwitz:

„Sehr geehrte Stadtratskollegen,

die Planungen des Prinzen zur Lippe auf der Höhe des Meißen/Proschwitzer Bocksberges beschäftigen uns  schon eine geraume Zeit. 

Wir sind von Respekt vor dem Mut eines Investors getragen, in Zeiten in denen Corona einen übergroßen Teil unserer aller Aufmerksamkeit beansprucht, ein derartig anspruchsvolles Vorhaben realisieren zu wollen. Wissen wir doch intuitiv, dass die althergebrachten touristischen Verhaltensweisen gerade allumfassend auf dem Prüfstand stehen.

Doch das Projekt ist nicht ganz so neu, dass die uns heute beschäftigenden Sorgen und Nöte schon hätten darin Eingang finden können. Vor fünf Jahren, als es erstmalig in die Diskussion gelangte, stand eine jedes Maß überschreitende Planung mit pagodenähnlichen Gebäuden in der von Vielen getragenen Kritik. Ohne Zweifel hat diese von ungeschickter Hand vorangebrachte, unsensible und nicht landschaftstypische Bauvorlage sehr viel Vertrauen gegenüber dem Bauherrn verspielt. Manche bezweifeln noch heute, ob er überhaupt fähig sei, sich in die Gedanken der um das Stadtbild und die Stadtgeschichte umfassend besorgten Bürger hinein zu versetzen, oder lediglich seine persönlichen Interessen sähe. 

Die schon gelaufene Vorarbeit hat aber auch sehr viel Geld gekostet und Zeit. Beide Faktoren drängen heute zur Eile. Vielleicht sind sie andererseits ein Glücksumstand, der davor bewahrt, ein wirtschaftlich riskantes Unternehmen in den Sand zu setzen. Dass gerade dieser Umstand – aufschäumend, wie die verschiedenen Positionen zum Bauvorhaben vorgetragen werden – keine angemessene Bewertung findet, ist tragisch, zu allererst für den Bauherren selbst. Er hat mit dem inzwischen andiskutierten, zweiten Entwurf zwar eine Planung eingebracht, die sich besser in der dörflichen Umgebung eingliedert. Auch die Architekten stehen im Ruf, nicht aus Gründen der Selbstdarstellung mutwillig wertvolle Bau- und Landschaftsstrukturen zu zerstören. Problematisch ist nur der vor Jahren gewählte Ausgangspunkt. 

Man hatte damals nicht erkannt, dass es sich bei dem historischen Mühlenareal um einen durchaus denkmalwürdigen, auf jeden Fall aber für die Dorfentwicklung wichtigen Maßstabsbildner landschaftstypischer Bauweise handelt, den man keinesfalls wegreißen sollte, wenn man die geschichtlich aufeinander wirkenden herrschaftlichen und bäuerlich-handwerklichen Bau- und Lebensgewohnheiten betrachtet. Diesen Kontext gibt es in Proschwitz nur noch ein, zwei Mal. Auf der, dem Standort gegenüber liegenden Seite der Dorfstraße fehlt ein solcher sachlicher und ideeller Maßstabsbildner. Die neuzeitliche Eigenheimbebauung vermag dort nicht zwischen der ländlichen Struktur des Weinbaus am Hang und dem Dorf in seiner urbanen Funktion zu vermitteln. Hier wäre eine sinnvolle Ortsrandbebauung wirklich wünschenswert, selbst wenn das Flächenstück momentan im Außenbereich liegt. 

Die „gähnende Leere“ der für eine Bebauung gut geeigneten Fläche letztlich nur zum befestigten Parkplatz für  die touristisch-gastronomischen Absichten des Bauherrn zu machen, ist zu wenig. Vorstellbar wäre an dieser Stelle, den für eine Ergänzungsbebauung durch ein Gästezentrum nicht ganz ungeeigneten Entwurf des Architekten anzusiedeln, das Mühlenareal mit Haupthaus, Scheune und Turm dagegen denkmalgerecht umzugestalten und zur gastronomischen Versorgung im weitesten Sinne zu nutzen. 

Die Weinbergbaracke, die sich im Landschaftsschutzgebiet befindet und den offenen Blick zur Stadt und zum Burgberg geradezu abriegelt, könnte so verschwinden. Eine zum Einchecken notwendige Anfahrt über die enge Dorfstraße wäre bei einer solchen Planungsvariante gegeben, nicht aber der Raum für Dauerparker und jene, die nur mal eine Spritztour machen. Diese sollten zweckmäßiger Weise an der Nordseite des Schlosses und am Dorfeingang parken. Dort bietet sich mittelfristig eine kleinteilig terrassierte Bebauung an, die in der unteren Etage ausreichend viele Stellplätze ermöglicht, ohne dass sie als vordergründig und störend empfunden wird. 

All diese Gedanken fanden das Interesse des Investors und führten zu längst überfälligen Begehung des Standortes mit dem Stadtentwicklungsausschuss Anfang Februar. Dass bei dieser Gelegenheit noch einmal nur die alte Vorentwurfsplanung verteidigt wurde, mit dem Hinweis, man könne doch für die Flächen der Planung, die durch ihren Schutzstatus gegenwärtig unbebaubar sind, einfach eine Ausgliederung aus dem Landschaftsschutzgebiet beantragen, ist außerordentlich bedauerlich. Der Vorgang nährt den Verdacht, dass die immer wieder bekundete Bereitschaft des Investors, für gute Vorschläge offen zu sein, letztlich nicht besteht, andererseits aber auch die Stadtverwaltung in ihrer Verpflichtung, die dörflichen Strukturen in eingemeindeten „Stadtteilen“ wie Proschwitz, Winkwitz, Rottewitz landschaftstypisch zu erhalten, überfordert ist. 

Wer Dörfer eingemeindet, kann nicht davon ausgehen, dass diese nach den gleichen Kriterien bebaubar sind, wie Städte. Hier die umfassenden sächsischen LEADER-Ansätze geltend zu machen, ist das Gebot der Stunde. Daran knüpfen sich auch Fördertatbestände, die so ein Vorhaben, wie das des Prinzen, ökonomisch und kulturell darstellbar machen. 

Mit einer Veränderung der Grenzen des Landschaftsschutzgebietes im Flächennutzungsplan einen Präzedenzfall zu schaffen, der Prof. Dr. Georg Prinz zur Lippe vor alle anderen, gleichfalls „nur“ um Änderungen eines Schutzstatus bemühten Antragsteller stellt, setzt ein besonderes Privatinteresse vor Gemeinwohl und führt zu unsäglichen Ärgernissen, die Meißen, z. B. in der Angelegenheit Bürgermeisterhaus Freiheit 6, in ähnlicher Weise schon einmal durchzustehen hatte. 

Lassen Sie uns dem Bauherrn helfen, indem wir gemeinsam Barrieren aus dem Weg räumen, die ein Bebauungsplanverfahren oder eine Einzelgenehmigung am Standort gegenüber dem alten Mühlenareal bisher verhindern. Damit wäre vielen geholfen und der Vorgang würde wirklich zum qualifizierten, weil auch menschlich vermittelbaren Musterprojekt einer dörflichen Strukturänderung. Länger als ein Dreivierteljahr sollten die Vorarbeiten bei dem erklärten Willen aller Beteiligten im Stadtrat und in den Ämtern nicht dauern. Auch darin sehen wir einen neuen Maßstab, den es in Meißen anzustreben lohnt. 

Dr. Helge Landmann                                                                                                                                           

Fachingenieur für Denkmalpflege, 
Baurestaurator“

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