„Der Preis ist künftiger Leerstand“

Für die Brache an der Fabrikstraße in Meißen gibt es Baupläne. Bei den Stadträten der BI stoßen sie auf Ablehnung. Die Stadträtin Ute Czeschka gibt Auskunft. Die Sächsische Zeitung berichtete in ihrer Ausgabe vom 22.01.2022 wie folgt:

Das Gespräch führte Harald Daßler

Meißen. Seit vielen Jahren schon liegt das Areal an der Fabrikstraße brach, auf dem die Deutsche Steinzeug Cremer und Breuer AG ansässig war. Ein Investor aus Niedersachsen hat das über 100.000 Quadratmeter umfassende Areal erworben und hat Pläne zur Revitalisierung vorgelegt. Als sie Ende vorigen Jahres im Stadtrat vorgestellt wurden, stießen sie auf Skepsis. Das zeigte sich an Gegenstimmen und Stimmenthaltungen. Die SZ sprach darüber mit Stadträtin Ute Czeschka von der Bürgerinitiative „Bürger für Meißen – Meißen kann mehr“ (BI).

Die Brachfläche an der Fabrikstraße soll revitalisiert werden. Stadträte der BI sehen die vorliegenden Pläne skeptisch. © Claudia Hübschmann

Frau Czeschka, seit Jahren ist die Brache an der Fabrikstraße ein Ärgernis in Meißen. Nun gibt es Pläne, diese Fläche zu entwickeln. Die Stadträte der BI sind dagegen. Warum?

So wie das Planverfahren jetzt eingeleitet wurde, gibt die Stadt ihre Handlungshoheit aus den Händen. Es ist so angelegt, dass zunächst nur eine Ansammlung von Märkten und gastronomischen Einrichtungen geplant und gebaut werden soll. Wir hatten vorgeschlagen, in das Planverfahren jetzt schon auch den Bereich einzubeziehen, auf dem in weiteren Bauabschnitten Bauten für Kleingewerbe und zum Wohnen entstehen sollen.

Was spricht gegen eine schrittweise Entwicklung des Areals in mehreren Bauabschnitten?

Allein durch den jetzt gefassten Beschluss sowie mit den weiteren Planungen und den ersten Baukörpern steigen die Bodenpreise auf den benachbarten Grundstücken. Das könnte auch dazu führen, dass der Investor diese weiter verkauft, wenn die Einkaufsmärkte fertig sind. Das ist ein „worst-case-Szenario“ – aber diese schlimmste aller Möglichkeiten ist momentan nicht ausgeschlossen. Und in Städten wie Hof oder Cottbus zeigen sich die Folgen: Areale mitten in der Stadt, auf denen nichts passiert. So wie der Aufstellungsbeschluss jetzt gefasst ist, hat die Stadt Meißen im weiteren Verlauf des Verfahrens keine Zugriffsmöglichkeiten mehr auf den Investor. Deshalb hatten wir vorgeschlagen, den Aufstellungsbeschluss für alle Bereiche des Areals an der Fabrikstraße zu fassen, statt nur für die Gebiete, auf denen jetzt die Märkte und Parkplätze angesiedelt werden sollen.

Im Stadtrat hatten Sie die bislang vorliegenden Pläne als „nicht ausgereift“ bezeichnet. Was meinen Sie damit?

Ich habe die Stellungnahmen der Industrie- und Handelskammer Dresden sowie des Handelsverbandes Sachsen zu den Plänen des Investors gelesen. In der Fraktion haben wir darüber mit Fachleuten und sachkundigen Bürgern intensiv diskutiert. Aus unserer Sicht ist zu viel noch unklar. So hatte der Handelsverband in seiner Stellungnahme zu dem Vorhaben angeregt, ein aktuelles Einzelhandels- und Zentrenkonzept für Meißen zu erarbeiten, auch um die Entwicklung der Kaufkraft hier verlässlich vorherzusagen. Solange das nicht vorliegt, stochern wir im Nebel. Oder: Noch gibt es keine Aussagen dazu, wie die Verkehrsströme an der Fabrikstraße bewältigt werden sollen. Wenn alle Märkte wie geplant eingerichtet sind, wäre das mit einer erheblichen Mehrbelastung der Straße verbunden. Und wie soll der öffentliche Nahverkehr eingebunden werden? Die Bushaltestelle am Robert- Koch-Platz ist viel zu weit entfernt.

In die neuen Einkaufsflächen sollen die Supermärkte von Aldi und Edeka von der anderen Seite der Fabrikstraße herüberziehen – in Filialen mit vergrößerten Verkaufsflächen. Weil sich die leer gezogenen Märkte im Besitz der Supermarkt-Ketten befinden, sei davon auszugehen, dass dort keine neuen Lebensmittelmärkte einziehen und für Konkurrenz sorgen, sondern, dass sich dort sogenannte Non-Food-Geschäfte ansiedeln. So steht es in dem am Ende vorigen Jahres gefassten Stadtratsbeschluss. Das klingt überzeugend.

Sicher, und das bezweifele ich nicht. Aber: Wer gibt uns die Garantie, dass in die leeren Hallen von Aldi und Edeka auf der anderen Seite der Fabrikstraße auch wirklich neue Geschäfte einziehen? Sollte das nicht gelingen, ist zu befürchten, dass sich dort Rossmann und Pfennigpfeiffer zurückziehen. Die Stellungnahmen von IHK und Handelsverband weisen darauf hin, dass eine Nonfood-Nachnutzung kaum die Nachfrage und folglich die Umsätze bringen, wie es zuvor im Food-Bereich der Fall war. In den Begründungen zum Aufstellungsbeschluss ist erwähnt, dass durch den Umzug der Lebensmittelmärkte in das neue Einkaufszentrum ein städtebaulicher Missstand behoben werden soll. Ich befürchte, dass auf der anderen Seite der Fabrikstraße ein neuer entsteht, dass ein neues Einkaufszentrum entsteht, um den Preis künftigen Leerstands. Wir sollten aus den Erfahrungen der Neumarkt-Arkaden lernen.

Wie lässt sich die von Ihnen skizzierte Entwicklung verhindern?

Indem wir die Frage „Was hat die Stadt davon?“ in den Mittelpunkt aller Betrachtungen rücken. Für die Antworten müsste zwingend ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept in Auftrag gegeben werden. Das wird von vielen Seiten seit Jahren angemahnt. Auf dessen Grundlage ließe sich ein Konzept ableiten, wie der Einzelhandel in Meißen – in Zentren ebenso wie in den kleinteiligen Bereichen – entwickelt werden kann und soll. Daraus ließe sich ein städtebaulicher Rahmenplan für beide Seiten der Fabrikstraße ableiten.

Nun hat eine Mehrheit im Stadtrat die Weichen gestellt – und Planungen für eine erste Etappe auf den Weg gebracht, in deren Verlauf Märkte mit Hunderten Parkplätzen entstehen, wo Filialen von Aldi, Edeka und der dm- Drogeriekette einziehen werden. Wo sehen Sie Möglichkeiten, weiter auf das Vorhaben Einfluss zu nehmen?

Die nächsten Schritte des Planverfahrens sehen eine breite Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Die Bürger sollten sich mit dem Projekt beschäftigen und sich die, im Ratsinformationssystem der Stadt veröffentlichten Gutachten und Stellungnahmen anschauen. Wenn die Pläne und Entwürfe öffentlich ausgelegt werden, was die Stadt bekannt geben muss, kann jeder Einblick nehmen und seine Bemerkungen, Bedenken, Einwände oder Anregungen festhalten lassen. Mit jeder dieser Stellungnahmen müssen sich die Planer dann befassen und darüber entscheiden – die des Investors ebenso wie die im Auftrag der Stadt.

3 Comments on “„Der Preis ist künftiger Leerstand“”

  1. Der Investor aus Niedersachsen wird das fertige Projekt weiterverkaufen, das kann ich aus sicherer Quelle (M.H. aus Burgdorf) sagen. Das anliegende FMZ mit Rossmann wird am meisten leiden. Ich verstehe nicht wie solche Entscheidungen getroffen werden können, unverantwortlich.

  2. Danke für diesen guten Artikel. Leider werden in Meißen oft Probleme nur verlagert. So auch beim Thema Discounter (wir haben eh schon mit 33 Billiggroßläden mehr als genug!), als auch beim Eigenheimbau. Neubauen, neubauen, neubauen, anstatt zu sanieren. Seit 30 Jahren wird in Meißen intensiv neu gebaut. Bestes Beispiel ist die Nassau. In spätestens 20 Jahren wird es zahlreiche Einfamilienhäuser geben, die dann verfallen, weil gebrauchte Häuser keiner mehr kauft, oder sprich keine Käufer vorhanden. Denn die geburtenstarken Jahrgänge sind vorbei. Viele junge Menschen ziehen weg aus Meißen und die Alten sterben weg. Warum in aller Hölle braucht Meißen noch mehr Verkaufsfläche und dafür wird wieder Fläche versiegelt? Auf dieser Elbseite hätte man aus der Fläche an der Fabrikstraße eine Art Bürgerpark und Grünfläche dringend gestalten können. Denn hier gibt es für die Anwohner kaum Erholungsgebiete. Der Verkehr wird immer unerträglicher und mit der B6n / S84 sind ja mal wieder Jahre sinnlos verplant worden und was wird nun? Jeder Discounter wird 2x täglich beliefert. Wir wundern uns, dass der Einzelhandel ausstirbt (auch durch Billigshops im Internet), machen aber dieselben Fehler, welche in anderen Städten schon gemacht werden. Durch sinnlose Flächenversieglung wird nicht an die Zukunft der Menschen gedacht, sondern nur aktuell an den schnellen Profit.

  3. Apropos Neumarkt Arkaden: dort sieht man ja leider sehr deutlich dass die Tendenz abwärts geht. C&A weg, Lottoladen weg, Friseur weg, Bäcker weg (dafür jetzt Apotheke), depot weg, Blumenladen weg (jetzt Testzentrum), Handyladen weg. Neu gekommen: Woolworth und eine Bank. Selbst der Aisa-Imbiss hat zugemacht und der Döner-Nachfolger ist auch schon wieder verschwunden. Ich hoffe der REWE bleibt, der würde mir persönlich sehr fehlen!

    Der dm hat letzte Woche zugemacht (weil der Mietvertrag ausgelaufen ist). Im kurzen Gespräch mit dem Filialleiter hieß es, man suche neue Flächen in Meißen wisse aber noch nicht wo – der Umsatz hätte die letzten 10 Jahre einfach nicht gestimmt, man hätte das nur durchhalten können weil man halt groß ist, da könne man eine defizitäre Filliale verkraften.

    Ich halte ein Einzelhandelskonzept unbedingt für erforderlich – der Markt ist nicht unendlich groß und die Stadt sollte diesen sinnvoll steuern/koordinieren.

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